Stiftungsrecht: OGH Stärkt Rechte und Unabhängigkeit des Stiftungsvorstands

Kurzzusammenfassung zu OGH 6 Ob 95/15m vom 29.06.2015

In dieser Entscheidung hat sich der OGH erstmals mit der Frage beschäftigt, ob die im Firmenbuch nicht einzutragende Stiftungszusatzurkunde materiell zu prüfen ist und welche Rechtsqualität die Eintragung der (Existenz der) Stiftungszusatzurkunde im Firmenbuch zukommt.

Ergebnis:

Wir haben hier den Stiftungsvorstand (erfolgsreich) vertreten. Bereits in der Vorentscheidung 6 Ob 42/13i, welche die selbe Privatstiftung betraf, hat der OGH ausgesprochen, dass ein Beirat, der vom Stifter jederzeit ohne Einschränkung auf irgendwelche Gründe abberufen werden kann, so sehr am Gängelband des Stifters hängt, dass von einer Unabhängigkeit des Beirats vom Stifter und dessen Willen und Interessen keine Rede sein kann. Damit hat der OGH bestätigt, dass dieser Beirat den Stiftungsvorstand nicht abberufen kann.

Nachdem die Abberufung des Stiftungsvorstandes durch den Beirat im Sinne der oben zitierten OGH-Rechtssprechung gescheitert war, hat der Stifter die Stiftungszusatzurkunde abgeändert. Die abgeänderte Stiftungszusatzurkunde hätte zu einer massiven Einschränkung der Geschäftsführung desStiftungsvorstandes geführt.

Vorauszuschicken ist, dass im Firmenbuch nur die Existenz einer Stiftungszusatzurkunde eingetragen wird, die Urkunde selbst wird aber nicht eingetragen und ist dementsprechend auch nicht aus der Urkundensammlung abrufbar.

Dem Stiftungsvorstand wurde vom Stifter mitgeteilt, dass die Stiftungsurkunde und die Stiftungszusatzurkunde geändert wurde. Nach dem Privatstiftungsgesetz ist der Stiftungsvorstand zur Anmeldung der Änderung gegenüber dem Firmenbuch verpflichtet. Im vorliegenden Fall wurde die entsprechende Anmeldung getätigt. Da derStiftungsvorstand Bedenken gegen die Zulässigkeit des Inhaltes der Stiftungszusatzurkunde hatte, hat der dem Firmenbuchgericht die Stiftungszusatzurkunde zur Prüfung übermittelt. Das Firmenbuchgericht und in weiterer Folge das Oberlandesgericht haben eine inhaltliche Prüfung der Stiftungszusatzurkunde unter Verweis auf bisherige OGH Judikatur abgelehnt. Erst die Entscheidung des OGH hat Klarheit gebracht. Er hat hier im Wesentlichen festgehalten:

1.    Der Stiftungsvorstand einer Privatstiftung ist im Verfahren zur Eintragung einer Neufassung einer Stiftungsurkunde und einer Stiftungszusatzurkunde antrags- und rechtsmittellegitimiert.

2.    Sowohl die Eintragung der Stiftungsurkunde als auch die Eintragung der (Existenz der) Stiftungszusatzurkunde wirkt konstitutiv; eine gegenteilige Vorjudikatur zur Stiftungszusatzurkunde wurde vom OGH damit aufgegeben.

3.    Hat der Stiftungsvorstand Bedenken gegen den Regelungsinhalt einer Stiftungszusatzurkunde kann diese zur formellen und materiellen Prüfung dem Firmenbuchgericht vorgelegt werden; dies unabhängig davon, ob der Text der Stiftungszusatzurkunde im Firmenbuch eingetragen wird.

4.    Eine Regelung einer Stiftungszusatzurkunde, die bewirkt, dass der Stiftungsvorstand zum bloßen Vollzugsorgan der Wünsche des Stifters oder des an seinem Gängelband hängenden Beirats wird, ist nichtig.